Werner Schützengesellschaften

Die Werner Schützengesellschaften und ihre Satzungen


Als die Generalversammlung der Junggesellengesellschaft am 23. August 1903 die vom Vorstand entworfene Satzung genehmigte, war nur wenigen Anwesenden bekannt, dass Werner Bürger bereits während des 30-jährigen Krieges eine Ordnung für ihre Schützengemeinschaft geschaffen hatten.

Wenden wir uns zunächst der Satzung von 1903 zu, die insgesamt 17 Paragraphen enthält:

Die ersten vier nennen die Bedingungen für die Aufnahme und regeln das Verhältnis des Vereins zu den Ausgeschlossenen (§ 2) und den Mitgliedern (§ 4 - Beitragsverpflichtung). Der § 5 enthält Angaben über den Wahlmodus für den Vorstand, § 6 die Bestimmung, dass sich keiner ohne triftigen Grund einer Wahl entziehen darf. § 7 regelt die Finanzierung des Schützenfestes. Dabei erhält der Vorstand das Recht, einen Beitrag für dieses Gemeinschaftsfest zu bestimmen. Die Mehrkosten trägt der Vorstand, während die Mehreinnahmen allen Schützen zugute kommen. § 8 legt die Unveräußerlichkeit des Eigentums der Gesellschaft fest. Die §§ 9 bis 15 stellen Richtlinien für die Durchführung des Schützenfestes auf. So wird u.a. geregelt, dass beim Pokalschießen ein vom Vorstand Bestimmter das Laden der Büchsen vornimmt. Das Schießen mit einem eigenen Gewehr ist verboten. Zum Königsschuss sind nur die eingesessenen Junggesellen zugelassen.

König ist der, der den Rest des Vogels von der Stange schießt. Für das Schießen der Krone, des Zepters und Reichsapfels werden Prämien ausgesetzt. Der Schützenkönig kann seine Königin selbst auswählen; er erhält eine Prämie und muss der Schützengesellschaft eine silberne Medaille stiften.
§ 16 nennt 88 Königsmedaillen als Eigentum der Gemeinschaft. Der letzte Paragraph hebt die alte Satzung auf und setzt die neue in Kraft.

Welchen Inhalt haben die Statuten der „jungen schutten“ aus dem Jahre 1633, die in der Chronik der Stadt Werne von 1843 festgehalten sind? -
Dort lesen wir unter anderem: Sollen die angesetzten Schützen einen zeitlichen Rath für ihr Haupt erkennen (Artikel 1)"; „im Fall auf fürstlichen Befehl die Schützen an End und Örtern von Nöten, sollen dieselben auf Gebot des Raths sich dazu willig einstellen (Artikel 1)"; „ingleichen so einer
der andere von der Schützengesellschaft sich der Offizieren Gebot oder Verbot widersetzen würde, soll zum erstenmal mit einer halben Mark verpönt sein (Artikel 7); „es soll auch in den Offizieren Gutachten stehen, mit wie viel Kraut und Lot ein jeder Schützenbruder jederzeit soll versehen sein“ (Artikel 16). Damit die Schützen stets einsatzbereit seien, bestimmt Artikel 18: „Endlich, weil aus Mitteln des Raths etliche mit zur Schützengesellschaft gehören, soll vorbehalten sein, dass dieselben mit Austrinken oder sonst gebräuchlichen nicht sollen beschwert werden, sondern ihres Standes halber, weil sie stündlich bei Nacht und bei Tag dem Rathe verpflichtet, davon befreiet sein.“ Was die Mitglieder der „gesellschop" zu tun hatten, wenn einer der ihren gestorben war, erfahren wir im Artikel 15; dort heisst es: „Da einer aus dem Rath oder Schützengesellschaft mit dem Tode abginge, sollen die sämtlichen Schützen dem Verstorbenen ohne Erstattung zum Begräbnis folgen 

Wie ernst die Verfasser der Statuten es nahmen, zeigen die Bestimmungen für die Durchführung gemeinsamer Feste. In Artikel 13 wird nicht nur das Ende eines „Zechs" (20 oder 21 Uhr) festgelegt, sondern man belegt mit Strafen, die sich betrinken (Artikel 11), die randalieren, fluchen und sich streiten (Artikel 5 und 9).

 Bereits diese knappen Auszüge aus den Statuten von 1633 und denen von 1903 machen deutlich, wie weit sich das Denken und die Vorstellungswelt der Werner Bürger in diesen Jahren verändert haben. Besonders fällt hier- bei auf, dass sich die Schützengesellschaft von 1633 noch a.s Wehrgemeinschaft verstand, die Wert auf Fertigkeit im Umgang mit der eigenen Waffe und Disziplin legte sowie klare Zuständigkeiten schätzte (z.B. Art. 1:"... Schützen sollen einen zeitlichen Rath für ihr Haupt erkennen…“ )

Die Herren des Vorstandes, die wie wir bereits hörten - die Satzung von 1903 entwarfen, brauchten sich keine Sorgen um den Schutz der unmittelbaren Heimat machen; es gab für sie auch nicht die Nöte des 30-jährigen Krieges, mit denen damals die Werner Bürger fertig werden mussten. Darum ist die enge Bindung an den Rat gelöst, und die Bestimmungen beziehen sich nur auf die eigene Gemeinschaft, deren Belange nun geregelt werden. Da die Gesetzgebung des Deutschen Reiches (Kranken-, Unfall-, Alters- und Invalidenversicherung 1883 bis 1889) die Fürsorge für die sozial schwächeren Bürger übernommen hatte, war die Verpflichtung dieser Gruppe gegenüber, sich ihrer an-zunehmen, nicht so aktuell wie früher.

Allerdings hatte das Umdenken, dass die Schützen nicht mehr eine Wehrgemeinschaft darstellten, bereits unter dem Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen (1650 - 1678) eingesetzt. Dieser Landesherr von Werne konnte seiner aktiven Außenpolitik nur Gewicht verleihen, wenn er eine 
moderne und gut ausgerüstete Armee besaß. Mit Hilfe französischer Gelder, die Ludwig XIV. ihm zukommen ließ, baute er sie auf und setzte sie zunächst gegen Münster (die Stadt kapitulierte 1661), dann gegen die Niederlande (1665/66; 1672 - 1674) ein. Wenn ihm auch letztlich der Erfolg in seiner ehrgeizigen Zielsetzung, sein Territorium zu erweitern, versagt blieb, so hatte sich allerseits gezeigt,
dass die Männer der Schützengesellschaften in keiner Weise den Anforderungen genügten, die die Kriege des ausgehenden 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts verlangten.

Diese für manchen Schützenbruder erfreuliche, für andere unerfreuliche Entwicklung erforderte das Setzen neuer Aufgaben, wenn solche Vereinigungen noch eine Zukunft haben sollten. Gleich vielen anderen Schützengesellschaften Westfalens gelang es auch den Werner Schützen, sich den neuen Verhältnissen anzupassen, wie die Archivalien des Stadtarchivs nachweisen. Auch jetzt übernahm man wie einst Aufgaben, die für die Gemeinschaft bedeutungsvoll waren. So traten die Schützen u.a. in der Folgezeit hervor, wenn es galt, Gäste der Stadt an der Gemeindegrenze in Empfang zu nehmen und sie feierlich zum Rathaus zu geleiten. Auch sehen wir sie an kirchlichen Festtagen, z.B. Fronleichnam, durch ihr Geleit die Prozessionen oder durch ihr sonstiges Mitwirken religiöse Feiern eindrucksvoll und würdig gestalten. 

Sodann pflegten sie bei ihren Festen, z.B. am Namenstag der Schutzpatrone Fabian und Sebastian (20. Januar) nicht nur das Zusammengehörigkeitsgefühl untereinander, sondern machten die Gemeinschaft mit anderen Bürgern dadurch deutlich, dass sie an solchen Tagen Zuwendungen an
Stadtarme oder an die Siechen in der Anstalt auf der Reitbecke gaben, wie die Leprosenordnung erkennen lässt, die der Werner Rat 1619 erlassen hatte und die auch nach dem 30-jährigen Krieg noch Gültigkeit besaß. Außerdem bemühten sich die Schützen, die Bräuche, die seit Jahrhunderten
üblich waren, an ihren Festtagen zu pflegen. Wie die städtische Obrigkeit ihre Tätigkeit zu schätzen wusste, zeigt die Zuwendung, die im Ratsprotokoll zum 30. Juli 1653 zu lesen ist: die „alten schuttern“ erhalten 4 Tonnen, die „jungen schutten“ 3 Tonnen Bier. Am Rande des Protokolls
vermerkt der Schreiber noch „verrechnung der Schützengesellschaft". Dieser Vermerk hält die
Tatsache fest, dass 1653 eine Schützengesellschaft in Werne bestand, über die vorher keine solche
Angaben in den Archivalien zu finden sind. Da der Bürger-Schützenverein die Überlieferung der damaligen Schützengesellschaft fortsetzt, dürfte das Anrecht der heutigen Vereinigung,
auf eine 350-jährige Tradition verweisen zu können, zu Recht bestehen.

Dr. Eckelt

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